Ewald Christian von Kleist

Der Frühling

ein Gedicht

(Fassung 1760)

Empfangt mich, heilige Schatten! Ihr hohen belaubten Gewölbe.
Der ernsten Betrachtung geweiht, empfangt mich, und haucht mir ein Lied ein
Zum Ruhm der verjüngten Natur! _ Und ihr, o lachende Wiesen,
Voll labyrinthischer Bäche! bethaute, blumigte Thäler!
Mit eurem Wohlgeruch will ich Zufriedenheit athmen. Euch will ich
Besteigen, ihr duftigen Hügel! und will in goldene Saiten
Die Freude singen, die rund um mich her, aus der glücklichen Flur lacht.
Aurora soll meinen Gesang, es soll ihn Hesperus hören.

Auf rosefarbnem Gewölk, mit jungen Blumen umgürtet,
Sank jüngst der Frühling vom Himmel. Da ward sein göttlicher Odem
Durch alle Naturen gefühlt. Da rollte der Schnee von den Bergen,
Dem Ufer entschwollen die Ströme, die Wolken zergiengen in Regen,
Die Wiese schlug Wellen, der Landmann erschrak._ Er hauchte noch einmal:
Da flohn die Nebel und gaben der Erde den lachenden Aether,
Der Boden trank wieder die Flut, die Ströme walzten sich wieder
In ihren beschilften Gestaden. Zwar streute der weichende Winter
Bey nächtlicher Wiederkehr oft von kräftig geschüttelten Schwingen
Reif, Schneegestöber und Frost; und rief den unbändigen Stürmen:
Die Stürme kamen mit donnernder Stimm aus den Höhlen des Nordpols,
Verheereten heulende Wälder, durchwühlten die Meere von Grund auf _ _
Er aber hauchte noch einmal den allbelebenden Odem:
Die Luft ward sanfter; ein Teppich mit wilder Kühnheit aus Stauden
Und Blumen und Saaten gewebt, bekleidete Thäler und Hügel.
Nun fielen Schatten vom Buchbaum herab; harmonische Lieder
Erfüllten den dämmernden Hain. Die Sonne beschaute die Bäche,
Die Bäche führeten Funken. Gerüche flossen im Luftraum;
Und jeden schlafenden Nachhall erweckte die Flöte der Hirten.

Ihr, deren betrogene Seele, wie wolkichte Nachte des Winters,
Kein Stral der Freude besucht, verseufzet in Zweifel und Schwermuth
Die flüchtigen Tage nicht mehr. Es mag die sklavische Ruhmsucht,
Die glühende Rachgier, der Geiz, und die bleiche Mißgunst sich härmen:
Ihr seyd zur Freude geschaffen; der Schmerz schimpft Tugend und Unschuld.
Trinkt Wollust! Für euch ist die Wollust! Sie wallt und tönet in Lüften,
Und grünt und rieselt im Thal. — Und ihr, Freundinnen des Lenzen,
Ihr blühenden Schönen! o flieht den athemraubenden Aushauch
Von goldnen Kerkern der Städte! Kommt! Echo lacht euch entgegen,
Und Zephyr erwartet sein Spiel mit euren geringelten Locken,
Indem ihr durch Thäler und Haine tanzt, oder, gelagert am Bache,
Violen pflücket zum Strauß forn an den unsträflichen Busen.

Hier wo der gelehnete Fels mit immergrünenden Tannen
Bewachsen, den bläulichen Strom zur Hälfte mit Schatten bedecket,
Hier will ins Grüne mich setzen. _ _ O welch ein Gelächter der Freude
Belebt rund um mich das Land! Friedfertige Dörfer, und Herden,
Und Hügel, und Wälder! wo soll mein irrendes Auge sich ausruhn?
Hier unter der grünenden Saat, die sich in schmälernden Beeten
Mit bunten Blumen durchwirkt, in weiter Ferne verlieret?
Dort unter den Teichen, bekränzt mit Rosenhecken und Schleedorn? _
Auf einmal reißet mein Auge der allgewaltige Belt fort;
Ein blauer Abgrund voll tanzender Wellen. Die stralende Sonne
Wirft einen Himmel voll Sterne darauf. Die Riesen des Wassers
Durchtaumeln, aufs neue belebt, die unabsehbare Fläche. _
Sieh, ländliche Muse, den Anger voll finsterer Rosse. Sie werfen
Den Nacken empor und stampfen mit freudig wiehernder Stimme;
Der Fichtenwald wiehert zurück. Gefleckte Kühe durchwaten,
Geführt vom ernsten Stier, des Meyerhofs buschigte Sümpfe.
Ein Gang von Espen und Weiden führt zu ihm, und hinter ihm hebt sich
Ein Rebengebirg empor mit Thyrsusstäben bepflanzet;
Ein Theil ist mit Schimmer umwebt, in Flohr der andre gehüllet;
Itzt flieht die Wolke; der Schimmer eilt staffelweis über den andern.
Die Lerche besteiget die Luft, sieht unter sich seelige Thäler,
Bleibt schweben und jubiliret. Der Klang des wirbelnden Liedes
Ergezt den ackernden Landmann. Er horcht gen Himmel; dann lehnt er
Sich über den wühlenden Pflug, wirst braune Wellen aufs Erdreich,
Verfolgt von Krähen und Elstern. Der Säemann schreitet gemessen,
Gießt goldenen Regen ihm nach. _ _ O streute der fleißige Landwirth
Für sich den Samen doch aus! Wenn ihn sein Weinstock doch tränkte!
Zu seinem Munde die Zweige mit saftigen Früchten sich beugten!
Allein, der gefräßige Krieg vom zähnebleckenden Hunger
Und rasenden Horden begleitet, verheeret oft Arbeit und Hofnung.
Gleich Hagel vom Stürme geschleudert zerschlägt er die nährenden Halmen,
Reißt Stab und Rebe zu Boden, entzündet Dörfer und Wälder
Zur Lust. _ Wo bin ich? Es blitzen die fernen Gebirge von Waffen,
Es wälzen sich Wolken voll Feuer aus offenen ehernen Rachen,
Und donnern und werfen mit Keilen umher. Zerrissene Menschen
Erfüllen den schrecklichen Sand. Des Himmels allsehendes Auge
Verhüllt sich, die Grausamkeit scheuend, in blaue Finsterniß. _ Siehe
Den blühenden Jüngling! Er lehnt sein Haupt an seinen Gefährten,
Und hält das strömende Blut und seine fliehende Seele
Noch auf, und hoffet die Braut noch wieder zu sehen, und zitternd
Von ihren Lippen den Lohn der langen Treue zu erudten.
Ein Schwerdt zerspaltet ihn itzt. — Sie wird in Thränen zerrinnen.
In ihr wird ein Lehrer der Nachwelt, ein heiliger Dichter erblassen.

Ihr, denen unsklavische Völker das Heft, und die Schätze der Erde
Vertrauten, ach! tödtet ihr sie mit ihren eigenen Waffen!
Ihr Väter der Menschen, begehrt ihr noch mehr glückseelige Kinder:
So kauft sie doch ohne das Blut der erstgeborenen, __ Hört mich.
Ihr Fürsten, daß Gott euch höre! Gebt seine Sichel dem Schnitter,
Dem Pflüger die Rosse zurück. Spannt eure Segel dem Ost auf
Und erndtet den Reichthum der Inseln im Meer. Pflanzt menschliche Gärten,
Setzt kluge Wächter hinein. Belohnt mit Ansehn und Ehre
Die deren nächtliche Lampe den ganzen Erdball erleuchtet.
Forscht nach in den Hütten, ob nicht, entfernt von den Schwellen der Großen,
Ein Weiser sich selber dort lebt, und schenkt ihn dem Volke zum Richter;
Er schlage das Laster im Pallast und helfe der weinenden Unschuld.

Komm Muse! laß uns im Thale die Wohnung und häusliche Wirthschaft
Des Landmanns betrachten. — Hier steigt kein parischer Marmor in Säulen
Empor, und bückt sich in Kämpfern. Hier folgt kein fernes Gewässer
Dem mächtigen Rufe der Kunst. Ein Baum, worunter sein Ahnherr
Drey Alter durchlebte, beschattet ein Haus von Reben umkrochen
Durch Dornen und Hecken beschützt. Im Hofe dehnt sich ein Teich aus,
Worinn mit Wolken umwälzt ein zweyter Himmel mich aufnimmt,
Wann jener sich über mir ausspannt; ein unermeßlicher Abgrund!
Die Henne jammert am Ufer mit strupfigten Federn, und locket
Die jüngst gebrüteten Entchen; sie fliehn der Pflegerinn Stimme
Durchplätschern die Flut und schnattern im Schilf. Langhälsigte Gänse
Verjagen von ihrer Zucht mit hochgeschwungenen Flügeln
Den zottigten Hund: nun beginnen ihr Spiel die gelbhaarigten Kinder,
Verstecken im Wasser den Kopf, und hangen mit rudernden Füßen
Im Gleichgewichte. — Dort läuft ein kleines geschäftiges Mädchen,
Sein buntes Körbchen am Arm, verfolgt von weitschreitenden Hünern.
Nun steht es, und tauscht sie leichtfertig mit eitelem Wurfe; begießt sie
Nun plötzlich mit Körnern, und sieht sie vom Rücken sich essen und zanken.
Dort lauscht in dunkeler Höhle das weiße Kaninchen, und drehet
Die rothen Augen umher. Aus seinem Gezelte geht lachend
Das gelbe Täubchen, und kratzt mit röthlichen Füßen den Nacken,
Und rupft mit dem Schnabel die Brust, und untergräbet den Flügel,
Und eilt zum Liebling aufs Dach. Der eifersüchtige zürnet,
Und dreht sich um sich und schilt. Bald rührt ihn die schmeichelnde Schöne,
Dann tritt er näher und girrt. Viel Küsse werden verschwendet!
Itzt schwingen sie lachend die Flügel und säuseln über den Garten.
Ich folge, wohin ihr mich führt, ihr zärtlichen Tauben! ich folge.
Wie schimmert der blühende Garten, wie duften die Lauben! wie gaukelt
In Wolken von Blüthen der fröhliche Zephyr! Er führt sie gen Himmel
Und regnet mit ihnen herab. Hier hat der verwegene Schiffer
Die wilden Gewächse der Mohren nicht hingepflanzt; seltene Disteln,
Durchblicken die Fenster hier nicht. Das nützende Schöne vergnüget
Den Landmann, und etwan ein Kranz. Dieß lange Gewölbe von Nußstrauch
Zeigt oben voll laufender Wolken den Himmel, und hinten Gefilde
Voll Seen, und büschichter Thäler, umringt mit geschwollenen Bergen.
Mein Auge durchirret den Auftritt noch einmal, und muß ihn verlassen;
Der nähere ziehet mich an sich. _ _ O Tulipane, wer hat dir
Mit allen Farben der Sonne den offenen Busen gefüllet?
Ich grüßte dich Fürstinn der Blumen, wofern nicht die göttliche Rose
Die tausendblättrige schöne Gestalt, die Farbe der Liebe,
Den hohen bedorneten Thron, und den ewigen Wohlgeruch hätte.
Hier lacht sie bereits durch die Knospe mich an, die gepriesene Rose.
Hier drengt die Mayenblume die Silberglöckchen durch Blätter;
Hier reicht mir die blaue Jacinthe den Kelch voll kühler Gerüche;
Hier strömt der hohen Viole balsamischer Ausfluß, hier streut sie
Die goldenen Stralen umher. Die Nachtviole läßt immer
Die stolzeren Blumen den Duft verhauchen; sie schließet bedächtig
Ihn ein, und hoffet am Abend den ganzen Tag zu beschämen.
Ein Bildniß großer Gemüther, die nicht, wie die furchtsamen Helden,
Ein Kreis von Bewunderern spornt, die tugendhaft wegen der Tugend,
Im stillen Schatten verborgen, Gerüche der Gütigkeit ausstreun.
Seht hin, wie brüstet der Pfau sich dort am funkelnden Beete!
Die braunen Aurikelgeschlechter bestreut mit glänzendem Staube,
Stehn gleich den dichten Gestirnen. Aus Eifersucht geht er darneben.
Und öffnet den grünlichen Kreis voll Regenbogen, und wendet
Den farbewechselnden Hals. Die Schmetterlinge, voll Wollust,
Und unentschlossen im Wahlen, umflattern die Blumen, und eilen
Auf bunten Flügeln zurück, und suchen wieder die Blüthe
Der Kirschenreiser, die jüngst der Herr des Gartens durchsägten
Schleestämmen eingepropft hatte, die jetzt sich über die Kinder
Von ihnen gesäuget, verwundern. _ Das Bild der Anmuth, die Hausfrau,
In jener Laube von Reben, pflanzt Stauden und Blumen auf Leinwand,
Die Freude lächelt aus ihr; ein Kind, der Grazien Liebling,
Verhindert sie schmeichelnd, am Halse mit zarten Armen ihr hangend,
Ein anderes tändelt im Klee, sinnt nach, und stammelt Gedanken.

O dreymal seliges Volk, das keine Sorge beschweret.
Kein Neid versuchet, kein Stolz. Dein Leben fließet verborgen,
Wie klare Bäche durch Blumen dahin. Lass andre dem Pöbel,
Der Dächer und Bäume besteigt, in Siegeswagen zur Schau seyn.
Gezogen von Elephanten; laß andre sich lebend in Marmor
Bewundern, oder in Erz von knieenden Sklaven umgeben.
Nur der ist ein Liebling des Himmels, der, fern vom Getümmel der Thoren,
Am Bache schlummert, erwachet und singt. Ihm malet die Sonne
Den Ost mit Purpur, ihm haucht die Wiese, die Nachtigall singt ihm.
Ihm folget die Reue nicht nach, nicht durch die wallenden Saaten,
Nicht unter die Heerden im Thal, nicht an sein Traubengelander.
Mit Arbeit würzt er die Kost, sein Blut ist leicht, wie der Aether,
Sein Schlaf verfliegt mit der Dämmrung, ein Morgenlüftchen verweht ihn. _ _

Ach wär auch mir es vergönnt, in euch, ihr holden Gefilde,
Gestreckt in wankende Schatten, am Ufer schwatzhafter Bache
Hinfort mir selber zu leben, und Leid und niedrige Sorgen
Vorüberrauschender Luft einst zuzustreuen! Ach möchte
Doch Doris die Thränen in euch von diesen Wangen verwischen,
Und bald Gespräche mit Freunden in euch mein Leiden versüßen,
Bald redende Todte mich lehren, bald tiefe Bäche der Weisheit
Des Geistes Wissensdurst stillen! Dann gönnt ich Berge von Demant
Und goldne Klüfte dem Mogul, dann möchten kriegrische Zwerge
Felshohe Bilder sich hauen, die steinerne Ströme vergössen.
Ich würde sie nimmer beneiden. Du Quelle des Glückes, o Himmel,
Du Meer der Liebe! o tränkte mich doch dein Ausfluß! Soll gänzlich,
Wie eine Blume, mein Leben, erstickt von Unkraut, verblühen?
Nein, du beseeligst dein Werk. Es lispelt ruhige Hoffnung
Mir Trost und Labsal zum Herzen; die Dämmrung flieht vor Auroren;
Die finstre Decke der Zukunft wird aufgezogen; ich sehe
Ganz andre Scenen der Dinge, und unbekannte Gefilde.
Ich seh dich, himmlische Doris! du kommst aus Rosengebüschen
In meine Schatten, voll Glanz und majestätischem Liebreiz;
So tritt die Tugend einher, so ist die Anmuth gestaltet.
Du singst zur Zyther, und Phöbus bricht schnell durch dicke Gewölke,
Die Stürme schweigen, Olymp merkt auf; das Bildniß der Lieder
Tönt sanft in fernen Gebirgen, und Zephyr weht mirs herüber.
Und du mein redlicher Gleim, du steigst vom Gipfel des Hömus
Und rührst die Tejischen Seiten voll Lust. Die Thore des Himmels
Gehn auf, es lassen sich Cypris und Huldgöttinnen und Amor
Voll Glanz auf funkelnden Wolken in blauen Lüften hernieder,
Und singen lieblich darein. Der Sternen weites Gewölbe
Erschallt vom frohen Concert. Komm bald in meine Reviere,
Komm, bring die Freude zu mir, beblüme Triften und Anger,
O Paar! du Trost meines Lebens, du milde Gabe der Gottheit!
Doch wie, erwach ich vom Schlaf? Wo sind die himmlischen Bilder?
Welch ein anmuthiger Traum betrog die wachenden Sinnen?
Er flieht von dannen, ich seufze. Zu viel, zu viel vom Verhängniß
Im Durchgang des Lebens gefodert! Hier ist statt Wirklichkeit Hoffnung!
Des Wirklichen Schatten beglückt; selbst wird michs nimmer erfreuen.

Allein, was quält mich die Zukunft? Weg, ihr vergeblichen Sorgen!
Laß mich der Wollust geniessen, die jetzt der Himmel mir gönnet,
Laß mich das fröhliche Landvolk in dicke Haine verfolgen,
Und mit der Nachtigall singen, und mich beym seufzenden Gießbach
An Zephyrs Tönen ergötzen. Ihr dichten Lauben, von Händen
Der Mutter der Dinge, geflochten! ihr dunkeln einsamen Gänge,
Die ihr das Denken erhellt, Irrgärte voller Entzückung
Und Freude, seyd mir gegrüßt! Was für ein angenehm Leiden
Und Ruh und sanftes Gefühl durchdringet in euch die Seele!
Durchs hohe Laubdach der Schatten, das streichende Lüfte bewegen,
Worunter ein sichtbares Kühl in grünen Wogen sich wälzet,
Blickt hin und wieder die Sonne, und übergüldet die Blätter.
Die holde Dammrung durchgleiten Gerüche von Blüthen der Hecken,
Die Flügel der Westwinde duften. In überirdischer Höhle,
Von krausen Büschen gezeugt, sitzt zwischen Blumen der Geishirt,
Bläst auf der hellen Schallmey, hält ein, und höret die Lieder
Hier laut in Buchen ertönen, dort schwach, und endlich verloren,
Bläst, und hält wiederum ein. Tief unter ihm klettern die Ziegen
An jähen Wänden von Stein, und reißen an bitterm Gesträuche.
Mit leichten Läuften streift itzt ein Heer gefleckter Hindinnen,
Und Hirsche mit Aesten gekrönt, durch grüne, rauschende Stauden,
Setzt über Klüfte, Gewässer und Rohr. Moräste vermissen
Die Spur der fliegenden Last. Gereitzt vom Frühling zur Liebe
Durchstreichen muthige Rosse den Wald mit flatternden Mähnen;
Der Boden zittert und tönt; es strotzen die Zweige der Adern;
Ihr Schweif empört sich verwildert; sie schnauben Wollust und Hitze,
Und brechen, vom Ufer sich stürzend, die Flut der Ströme zur Kühlung.
Dann fliehen sie uber das Thal auf hohe Felsen, und schauen
Fern über den niedrigen Hain aufs Feld durch segelnde Dünste,
Und wiehern aus Wolken herab. Itzt eilen Stiere vorüber,
Aus ihren Nasen raucht Brunst, sie spalten mit Hörnern das Erdreich
Und toben im Nebel von Staub. Verschiedne taumeln in Höhlen,
Und brüllen dumpficht heraus, verschiedne stürzen von Klippen. _ _
Aus ausgehöhltem Gebirge fällt dort mit wildem Getümmel
Ein Fluß ins büschigte Thal, reißt mit sich Stücke von Felsen,
Durchrauscht entblößete Wurzeln der untergrabenen Bäume,
Die über fließende Hügel von Schaum sich bücken und wanken;
Die grünen Grotten des Waldes ertönen und klagen darüber.
Es stutzt ob solchem Getöse das Wild, und eilet von dannen.
Sich nahende Vögel verlassen, im Singen gehindert, die Gegend
Und suchen ruhige Stellen, wo sie den Gatten die Fühlung
Verliebter Schmerzen entdecken in pyramidnem Gesträuche,
Und streiten gegen einander mit Liedern, von Zweigen der Buchen.
Dort will ich lauschen und sie sich freun und liebkosen hören.
Fließ sanft, unruhiges Flüßchen! still! ächzende Zephyrs im Laube,
Schwächt nicht ihr buhlrisches Flistern. Schlagt laut, Bewohner der Wipfel,
Schlagt, lehrt mich euren Gesang! Sie schlagen; symphonische Töne
Durchfliehn von Eichen und Dorn des weiten Schattensaals Kammern;
Die ganze Gegend wird Schall. Der Fink, der röthliche Hänfling
Pfeift hell aus Wipfeln der Erlen. Ein Heer von bunten Stieglitzen
Hüpft hin und wieder auf Strauch, beschaut die blühende Distel,
Ihr Lied hüpft frölich wie sie. Der Zeisig klaget der Schönen
Sein Leiden aus Zellen von Laub. Vom Ulmbaum flötet die Amsel
In hohlen Tönen den Baß. Nur die geflügelte Stimme,
Die kleine Nachtigall, weicht aus Ruhmsucht in einsame Gründe,
Durch dicke Wipfel umwölbt, der Traurigkeit ewige Wohnung,
(Worinn aus Lüften und Feld der Nacht verbreitete Schatten
Sich scheinen verenget zu haben, als sie Auroren entwichen, )
Und macht die schreckbare Wüste zum Lustgefilde des Waldes.
Dort tränkt ein finsterer Teich rings um sich Weidengebüsche;
Auf Aesten wiegt sie sich da, lockt laut, und schmettert und wirbelt,
Das Grund und Einöde klingt. So rasen Chöre von Saiten.
Itzt girrt sie sanfter, und läuft durch tausend zärtliche Tone,
Itzt schlägt sie wieder mit Macht. Oft wenn die Gattinn durch Vorwitz
Sich im belaubten Gebaur des grausamen Voglers gefangen,
Der fern im Lindenbusch laurt, dann ruhn die Lieder voll Freude,
Dann fliegt sie ängstlich umher, ruft ihrer Wonne des Lebens
Durch Klüfte, Felsen und Wald, seufzt unaufhörlich und jammert,
Bis sie vor Wehmuth zuletzt halbtodt zur Hecken herabfällt,
Worauf sie gleitet und wankt mit niedersinkendem Haupte.
Da klaget um sie der Schatten der todten Gattinn, da dünkt ihr
Sie wund und blutig zu sehn. Bald tönt ihr Jammerlied wieder,
Sie setzt es Nachte ang fort, und scheint bey jeglichem Seufzer
Aus sich ihr Leben zu seufzen. Die nahen strauchichten Hügel,
Hiedurch zum Mitleid bewogen, erheben ein zärtlich Gewinsel.

Allein, was kollert und girrt mir hier zur Seiten vom Eichstamm,
Der halb vermodert und zweiglos von keinem Geflügel bewohnt wird?
Täuscht mich der Einbildung Spiel? Sieh! plötzlich flattert ein Täubchen
Aus einem Astloch empor, mit wandelbarem Gefieder.
Dieß zeugte den dumpfigten Schall im Bauch der Eichen. Es gleitet
Mit ausgespreiteten Flügeln ins Thal, sucht nickend im Schatten,
Und schaut sich vorsichtig um mit dürren Reisern im Munde.
Wer lehrt die Bürger der Zweige voll Kunst sich Nester zu wölben,
Und sie für Vorwitz und Raub, voll süssen Kummers, zu sichern?
Welch ein verborgener Hauch füllt ihre Herzen mit Liebe?
Durch dich ist alles, was gut ist, unendlich wunderbar Wesen,
Beherrscher und Vater der Welt! Du bist so herrlich im Vogel,
Der hier im Dornstrauch hüpft, als in der Feste des Himmels,
In elner kriechenden Raupe, wie in dem flammenden Cherub.
See sonder Ufer und Grund! Aus dir quillt alles; du selber
Hast keinen Zufluß in dich. Die Feuermeere der Sterne
Sind Wiederscheine von Pünktchen des Lichts, in welchem du leuchtest. _ _
Du drohst den Stürmen, sie schweigen; berührst die Berge, sie rauchen;
Das Heulen aufrührischer Meere, die zwischen wässernen Felsen
Den Sand des Grundes entblößen, ist deiner Herrlichkeit Loblied.
Der Donner, mit Flammen beflügelt, verkündigt mit brüllender Stimme
Die hohen Thaten von dir. Vor Ehrfurcht zittern die Haine,
Und wiederhallen dein Lob. In tausend harmonischen Tönen
Von dem Verstande gehört, verbreiten Heere Gestirne
Die Größe deiner Gewalt und Huld, von Pole zu Pole.
Doch wer berechnet die Menge von deinen Wundern? Wer schwingt sich
Durch deine Tiefen, o Schöpfer? Vertraut euch den Flügeln der Winde,
Ruht auf den Pfeilen des Blitzes, durchstreiche den glänzenden Abgrund
Der Gottheit, ihr endlichen Geister, durch tausend Alter des Weltbaus,
Ihr werdet dennoch zuletzt kein Pünktchen näher dem Grunde,
Als bey dem Ausfluge seyn. Verstummt denn, bebende Saiten!
So preist ihr würdger den HERRN. _ _ _

Ein Fluß von lieblichem Duft, den Zephyr mit säuselnden Schwingen
Von nahgelegener Wiese herbeyweht, nöthigt mich zu ihr.
Da will ich an schwirrendem Rohr in ihrem Blumenschooß ruhend,
Mit starken Zügen ihn einziehn. Kommt zu mir, Freunde der Weisheit,
Mein Spalding und Hirzel, durch die jünsthin der Winter mir grünte,
Von deren Lippen die Freude zu meinem Busen herabströmt,
Kommt, legt euch zu mir, und macht die Gegend zur himmlischen Wohnung!
Laßt uns der Kinder der Flora Gestalt und Liebe bewundern,
Und spotten, mit ihnen geschmückt, des trägen Pöbels im Purpur!
Besingt die Schönheit der Tugend; laßt eures Mundes Gespräche
Mir seyn wie Düfte von Rosen. Hier ist der Grazien Lustplatz;
Kunstlose Gärte durchirrt hier die Ruh, hier rieselt Entzückung
Mit hellen Bachen heran. Den grünen Kleeboden schmücken
Zerstreute Wälder von Blumen. Ein Meer von holden Gerüchen
Wallt unsichtbar über der Flur in großen taumelnden Wogen,
Von lauen Winden durchwühlt. Es ist durch tausend Bewohner
Die bunte Gegend belebt. Hochbeinigt watet im Wasser
Dort zwischen Kräutern der Storch, und blickt begierig nach Nahrung.
Dort gaukelt der Kibitz und schreyt ums Haupt des müßigen Knaben,
Der seinem Neste sich naht. Itzt trabt er vor ihm zum Ufer,
Als hätt' er das Fliegen vergessen, reizt ihn durch Hinken zur Folge
Und lockt ihn endlich ins Feld. Zerstreute Heere von Bienen
Durchsäuseln die Lüfte, sie fallen aus Klee und blühende Stauden,
Und hängen glänzend daran wie Thau vom Mondschein vergüldet;
Dann eilen sie wieder zur Stadt, die ihnen im Winkel des Angers
Der Landmann aus Körben erbaut. Bildniß rechtschaffener Weisen,
Die sich der Heimath entziehn, der Menschheit Gefilde durchsuchen,
Und dann heimkehren zur Zelle mit süsser Beute beladen,
Uns Honig der Weisheit zu liefern. Ein See voll fliehender Wellen
Rauscht in der Mitte der Au, draus steigt ein Eiland zur Höhe,
Mit Bäumen und Hecken gekrönt, das, wie vom Boden entrissen,
Scheint gegen die Fluthen zu schwimmen. In einer holden Verwirrung
Prangt drauf Hambuttengesträuch voll feuriger Sternchen, der Quitzbaum,
Holunder, raucher Wachholder, und sich umarmende Palmen.
Das Geisblatt schmiegt sich an Zweige der wilden Rosengebüsche.
Aus Wollust küssen einander die jungen Blüthen, und hauchen
Mit süßem Athem sich an. Der blühende Hagdorn am Ufer
Bückt sich hinüber aus Stolz, und sieht verwundernd im Wasser
Den weißen und röthlichen Schmuck. O Schauplatz, der du die Freude
Ins Herzens Innerstes malst, ach! daß die Wärme, die annoch,
Seitdem der Winter von uns entflohn, kein Regen gemildert,
Dich samt Gefilden und Garten, die nach Erfrischung sich sehnen.
Doch nicht der Zierde beraubte und seiner Hoffnung den Landmann!
Erquick sie gnädiger Himmel, und überschütte von oben
Mit deiner Güte die Erde. _ _ Er kömmt, er kömmt in den Wolken,
Der Seegen! Dort taumelt er her, und wird sich in Strömen ergießen.
Schon streicht der Westwind voran, schwärmt in den Blättern der Bäume
Und wirbelt die Saaten, wie Strudel. Die Sonn eilt hinter den Vorhang
Von baumwollähnlichem Dunst; es stirbt der Schimmer des Himmels
Gemach, und Schatten und Nacht läuft über Thäler und Hügel.
Gekräuselt durch silberne Zirkel, die sich vergrößernd verschwinden,
Verräth die Fläche des Wassers den noch nicht sichtbaren Regen. _ _
Itzt fällt er häufiger nieder, sich wie Gewebe durchkreuzend.
Kaum schützt des Erlenbaums Zelt mich vor den rauschenden Güssen.
Das Volk, das kürzlich aus Wolken die Gegend mit Liedern erfüllte,
Schweigt und verbirgt sich in Büsche. Im Lindenthal drangt sich in Kreisen,
Vom Dach der Zweige bedeckt, die Wollenheerde um Stamme.
Feld, Luft und Höhen sind öde; nur Schwalben schießen in Schaaren
Im Regen, die Teiche beschauend. _ _ Die Augenlieder, die jetzo
Das Auge des Weltkreises decken, die Dünst' erheben sich plötzlich.
Nun funkelt die Bühne des Himmels, nun sieht man hangende Meere
In hellen Tropfen zerrinnen und aus den Lüften verschwinden.
Es lachen die Gründe voll Blumen, und alles freut sich, ob flösse
Der Himmel selber zur Erden. Jedoch schon schiffen von neuem
Beladne Wolken vom Abend, und hemmen wieder das Licht;
Sie schütten Seen herab, und säugen die Felder wie Brüste. _ _

Auch die vergießen sich endlich. Ein güldner Regen von Stralen
Füllt itzo wieder die Luft; der grüne Hauptschmuck der Felsen,
Voll von den Saaten der Wolken, spielt blendend gegen der Sonne.
Ein Regenbogen umgürtet den Himmel, und sieht sich im Meere;
Verjüngt, voll Schimmer und lächelnd, voll lichter Streifen und Kränze
Sehn die Gefilde mich an. Tauch in die Farben Aurorens,
Mal mir die Landschaft, o du! aus dessen ewigen Liedern
Der Aare Ufer mir duften und vor dem Angesicht prangen,
Der sich die Pfeiler des Himmels, die Alpen, die er besungen,
Zu Ehrensäulen gemacht. Wie blitzt die streifichte Wiese
Von demantähnlichen Tropfen! Wie lieblich regnen sie seitwärts
Von farbigten Blumengebüschen und blühenden Kronen der Sträuche!
Die Krauter sind wieder erfrischt, und hauchen stärkre Gerüche;
Der ganze Himmel ist Duft. Getränkte Halmen erheben
Froh ihre Häupter, und scheinen die Huld des Himmels zu preisen.

Grünt nun ihr holden Gefilde! Ihr Wiesen und schattichte Wälder
Grünt, seyd die Freude des Volks! Dient meiner Unschuld hinführo
Zum Schirm, wenn Bosheit und Stolz aus Schlössern und Städten mich treiben.
Mir wehe Zephyr aus euch, durch Blumen und Hecken, noch öfter
Ruh und Erquickung ins Herz. Laßt mich den Vater des Weltbaus,
(Der Seegen über euch breitet im Stralenkreise der Sonne,
Im Thau und Regen) noch ferner in eurer Schönheit verehren,
Und melden, voll heiligen Grauens, sein Lob antwortenden Sternen.
Und wenn nach seinem Geheiß mein Ziel des Lebens herannaht,
Dann sey mir endlich in euch die letzte Ruhe verstattet.