Handbuch für Heer und Flotte

Enzyklopädie der Kriegswissenschaften und verwandter Gebiete

Idstein - Leipzig, 1913

Auszug aus dem Artikel "von Kleist"

7. Friedrich Wilhelm Gottfried Arnd v. K., der „grüne Kleist", geboren in Potsdam am 29. August 1724 als Sohn des Obersten u. Chef des Potsdamer Königsregiments, Andreas Joachim v. K. Er trat 1744 in das Regiment Gens d'armes (Nr. 10) ein u. wurde Ende 1756, da er klein von Wuchs u. sehr lebhaften Geistes war, von Friedrich dem Großen unter Beförderung vom Leutnant zum Major zum Husarenregiment Szekely (Nr. 1) versetzt, das er von 1759 bis zu seinem Tode (1767) befehligte.

Im Scharmützel bei Pegau am 7. u. im Gefecht bei Gotha am 19. September 1757 zeichnete sich K. so aus, daß ihm der Orden Pour le Mérite verliehen ward. Im August 1758 schlug er ein Korps der Reichsarmee bei Waldkirchen in Sachsen. Im April 1759 errichtete er mit königlicher Genehmigung 2 Eskadrons Freihusaren, die im Laufe des Krieges auf 10 vermehrt wurden; dazu kamen unter dem Namen „Kleistsches Freikorps" noch 10 Schwadronen Dragoner, 2 Bataillone Kroaten u. l Kompagnie Jäger. K. hatte bei seinem Freikorps bedeutenden Zulauf. Neben großer Kühnheit u. Geschicklichkeit als Führer besaß er die Gabe, die Herzen seiner Leute zu gewinnen. — Im November 1759 unternahm K. gleichzeitig mit dem Zuge Finks gegen Maxen eine Streife über das Erzgebirge nach Teplitz. Da die Österreicher u. Russen gerade in jenem Jahre in der Mark furchtbar gehaust hatten u. unter anderem der Ausspruch gefallen war, „es solle auf höheren Befehl den preußischen Untertanen nichts als Luft u. Erde übrig bleiben", ließ er bekanntmachen, es würde seinem Könige ein leichtes sein, Vergeltung zu üben u. die feindlichen Untertanen ebenso zu behandeln, wenn er nicht mehr Großmut als Rache besäße. Er trieb deswegen nur Kriegssteuern ein, verschonte aber das Land mit Sengen u. Brennen vollständig, wie er überhaupt auf seinen zahlreichen Streifzügen stets mit großer Schonung u. Menschenfreundlichkeit verfuhr.

In der Schlacht bei Kunersdorf attackierten die Kleist-Husaren gemeinschaftlich mit einem Dragonerregiment den erlahmenden Gegner im Kuhgrunde mit großer Tapferkeit. In Auflösung wich der Gegner. Aber während der Verfolgung wurden die preußischen Reiter von den russischen Dragonerregimentern Archangel u. Tobolsk, sowie dem österreichischen Dragonerregiment Kolowrat angegriffen u. nach kurzem Handgemenge geworfen. Hierbei ward Oberst v. K. verwundet. — Bei Torgau bildete K. mit seinen leichten Truppen die Vorhut des Zietenschen Korps u. stieß an der Roten Furt auf einen starken Kroatenposten Lacys. Dieser wurde erst vertrieben, als Zieten einige Bataillone mit ihren Geschützen zur Unterstützung vorsandte. Im weiteren Verlauf der Schlacht deckte K. den Rücken u. die rechte Flanke des am Großen Teiche stehenden Zietenschen Korps. Am 4. November waren seine Truppen an der Spitze der Verfolgung.

Während des ziemlich ereignislosen Feldzuges des Prinzen Heinrich in Sachsen 1761 zeichnete sich K. durch Umsicht u. Kühnheit wiederholt aus u. versetzte dem Gegner empfindliche Schläge. Am 19. Mai 1762 beförderte ihn der König zum Generalmajor. — Im Juni 1762 unternahm K. wieder einen Einfall in Böhmen von Öderan aus u. vertrieb den österreichischen Obersten Töreck aus Marienburg. Vom Prinzen Heinrich, der einen allgemeinen Angriff befürchtete, zurückgerufen, brach K. am 1. Juli von Freiberg aus über Böhmisch-Einsiedel in das Teplitzer Tal ein u. warf Mitte Juli die kaiserlichen Vortruppen auf Dux u. Teplitz zurück. Dann ging er nach Marienburg zurück u. setzte sich in der Richtung auf Schwarzenberg in Marsch, um der Reichsarmee in den Rücken zu kommen. Ende Juli war diese wieder nach Franken zurückgewichen, u. Prinz Heinrich beschloß, durch Seydlitz u. K. einen kräftigeren Vorstoß nach Böhmen ausführen zu lassen. Jener rückte über Annaberg u. Sebastiansberg, dieser über Böhmisch-Einsiedel ein. Am 1. August vereinigten sich beide am Fuße des Gebirges bei Johnsdorf. Fürst Löwenstein lagerte mit einem österreichischen Korps bei Dux, brach jedoch in der Nacht auf u. nahm eine Stellung auf den Höhen westlich von Teplitz. K. riet Seydlitz, den Gegner in seiner starken Stellung festzuhalten, während er in seinem Rücken über die Magazine herfallen wollte. Seydlitz griff trotzdem am 2. an, mußte aber mit einem Verluste von 570 Mann den Rückzug antreten. In der Schlacht bei Freiberg führte K. die 6 Bataillone, 18 Eskadrons starke Vorhut des Prinzen Heinrich. Er vertrieb die Kroaten u. Palatinathusaren unter Oberst Töreck vom Westrande des Spittelwaldes; seine beiden Freibataillone Heer u. Lüderitz drangen in den südlichen Teil des Waldes ein, warfen dort drei feindliche Bataillone zurück u. nahmen eins von ihnen größtenteils gefangen. Als die Vorhut sich der Anhöhe von St. Michael näherte, wurde das vom Prinzen Stolberg auf die Höhen östlich von Brand-Erbisdorf entsandte, 6000 Mann starke österreichische Hilfskorps unter General Meyer (v. Mayern) gemeldet. Prinz Heinrich befürchtete, daß Meyer bei seinem weiteren Vorrücken einen Vorstoß gegen die preußische rechte Flanke machen könne. K., der Meyer schon öfter gegenübergestanden hatte, beruhigte den Prinzen u. versicherte, der Feind würde sich nicht von der Stelle rühren, u. behielt Recht. Meyer zog, als er bemerkte, daß das Hauptkorps unter Stolberg zurückging, ebenfalls ab. K. führte im weiteren Verlaufe der Schlacht gemeinsam mit Seydlitz die Kavallerie des rechten Flügels gegen Freiberg vor u. unterstützte auf diese Weise den letzten Infanterieangriff wirksam. Er verfolgte, gemeinsam mit Belling, den Feind auf Burkersdorf u. Pretzschendorf.

Bedeutende Verdienste erwarb sich K. am Schlüsse des Krieges durch einen Streifzug nach Franken. Am 11. November 1762 entsandte ihn König Friedrich dorthin mit 4 Bataillonen, den Jägern u. 30 Schwadronen, insgesamt 6000 Mann. K. marschierte nach Bamberg, besetzte die Stadt u. legte ihr eine Kriegssteuer von l Million Taler auf. Windsheim, dessen Bürger sich zur Wehr setzten, ließ er plündern u. belegte die Stadt mit einer Steuer von 12000 Gulden. Rotenburg ob der Tauber mußte 30 000 Gulden zahlen. Der Reichsstadt Nürnberg bewilligte K. die Kapitulation gegen Zusicherung von 12 sechspfündigen Geschützen u. 2 Millionen Gulden Kriegssteuer. Infolge seines tatkräftigen Auftretens baten die süddeutschen Städte u. Stände zum großen Teil um Gewährung der Neutralität Schließlich veranlaßte das Herannahen der in französischen Diensten gewesenen kursächsischen Hilfstruppen K. zum Abmarsch. Er brach am 3. Dezember von Nürnberg auf, sandte von Bamberg aus die Geldwagen, Geschütze u. Geiseln unter Bedeckung über Erfurt nach Leipzig u. bezog mit seinem Korps am 21, Winterquartiere im Altenbürgischen.

Zweifellos war K. neben dem General Mayr der weitaus gewandteste Parteigänger Friedrichs des Großen. Der „österreichischeVeteran" Cogniazo sagt in seinen „Geständnissen" von ihm: „Man muß dem feindlichen Husarenoberst v. K. den Ruhm lassen, daß er in den drei letzten Feldzügen in Sachsen, was den 'kleinen' Krieg betrifft, überall den Meister gespielt u. der Prinz Heinrichschen Armee ausgezeichnete Dienste geleistet hat." Prinz Heinrich schreibt selbst: „Kleists Gewandtheit im kleinen Kriege u, seine Befähigung zu nützlichen Unternehmungen machten ihn beim Feinde gefürchtet; er besaß stets die Liebe der unter seinem Befehle stehenden Truppen; er erwarb sich durch seine Erfolge einen ruhmvollen Namen." — K. starb an den Pocken am 28. August 1767, erst 43 Jahre alt, im Kantonnementsquartier Jeschkendorf bei Liegnitz. Er ist in der Gruft der Kirche zu Dyhernfurt beigesetzt, das kurze Zeit in seinem Besitze war. Am Sockel des Denkmals Friedrichs des Großen in Berlin findet man K. neben der Reiterfigur des Herzogs Ferdinand von Braunschweig.